Else Thiele

21. Mai 1881 – 29. April 1979

Else Thiele (geborene Tucholsky) wird 1881 in Berlin in eine jüdische Familie geboren. Nach der höheren Töchter­schule und der Handels­schule arbeitet sie als Steno­typistin. Im Jahr 1904 heiratet sie den jüdischen Kauf­mann Isidor Koller, der öster­reichischer Staats­bürger ist.

Im Jahr 1905 wird ihr Sohn Erich Peter ge­boren. Nach dem Tod des Mannes 1913 ist sie mehrere Jahre allein­erziehend. Sie heiratet erneut. Ihr zweiter Mann Franz Thiele verliert 1933, unmittel­bar nach der Macht­übertragung an die National­sozialisten, aufgrund seiner jüdischen Ehefrau seine Arbeit als Ober­inge­nieur. Spätere Anstellungen ent­sprechen meist nicht seiner Qualifikation und sind niedrig bezahlt. Else Thieles Sohn aus erster Ehe – nach den Nürnberger Gesetzen „Voll­jude“ – wird 1935 nach Öster­reich ausgewiesen. Er stirbt 1943 im Ghetto Shanghai. Die Nachricht über seinen Tod erhält seine Mutter erst 1945.

„Mein Mann litt gleich mir unter den Diffamierungen der Nazis, er wurde viele Male von der Gestapo aufgefordert, sich von mir scheiden zu lassen, hat aber in vorbildlicher Weise zu mir und meiner ganzen Familie gehalten. Im November 1943, als wir total ausgebombt wurden, wurde uns meinetwegen keine Behausung zugewiesen, wir mussten in eine Dachkammer […] ziehen und unterlagen auch allen anderen Verboten.“

Else Thiele, Bericht an das Berliner Entschädigungsamt, 
um 1955

Nur die sogenannte „Mischehe“ mit ihrem „arischen“ Mann bewahrt Else Thiele vor der Depor­tation in die Vernichtungs­lager. Ab September 1944 bis Kriegsende muss sie trotz ihres Alters schwere körperliche Zwangs­arbeit leisten. Trotz der schwierigen Verhält­nisse unterstützt sie andere Verfolgte. Unter großer Gefahr hilft Else Thiele sogar mehreren „ille­galen Glaubens­genossen“, die unter­getaucht waren. 

Nach 1945 ist Else Thiele in der Jüdischen Gemeinde aktiv. Sie gehört der Frauen­gruppe an und engagiert sich für die „Unabhängige Jüdischen Vereinigung“. Dem BVN gehört Else Thiele seit 1950 an und übernimmt 1954/1955 das Amt der Sozial­referentin. Hier ist sie für die Verteilung von Hilfs­paketen verantwortlich und in ihrer Sprech­stunde unterstützt sie Ratsuchende in Fürsorge­angelegen­heiten. Besonders setzt sie sich für Über­lebende ein, die die NS-Zeit wie sie in „Privilegierter Ehe“ überstanden, aber keine angemessene Unter­stützung erhalten. Von 1955 bis 1962 ist sie als Sozial­referentin im BVN-Vorstand vertreten. Else Thiele stirbt 1979 in Berlin.