Aktionen
In der jungen Bundesrepublik und West-Berlin tritt der BVN mehrfach als unbequemer Mahner auf. Er legt den Finger in die Wunden der Nachkriegsgesellschaft, die über die NS-Vergangenheit lieber schweigen will und vergessen möchte. Mahrfach nimmt der Verband Stellung zu tagespolitischen Ereignissen und zählt zu den frühen zivilgesellschaftlichen Akteuren der demokratischen Entwicklung in Deutschland.
Wiederholt verweist der BVN-Berlin auf die Gefährdung der Demokratie durch radikale Gruppen. Vor allem die Warnung vor extrem rechten Parteien und Organisationen ist ein Thema, das den Verband Zeit seiner Existenz beschäftigt.
Referat Neofaschismus
Im BVN besteht von 1953 bis 1957 das „Sonderreferat Neofaschismus“. Es bietet eine Sprechstunde, in der antisemitische und neonazistische Vorfälle gemeldet werden können. Auch sammelt es Material zur extremen Rechten im In- und Ausland.
In Kooperation mit der Gewerkschaftlichen Studentengemeinschaft an der Freien Universität Berlin veranstaltet das „Sonderreferat N“ 1956 eines der ersten Seminare in der Bundesrepublik zum Thema „Rechtsradikalismus in Deutschland“.
Protest
Nach neonazistischen Anschlägen auf Synagogen und jüdische Friedhöfe in der Bundesrepublik wird im Januar 1960 West-Berlin ebenfalls Schauplatz der sogenannten “Hakenkreuzschmierwelle”. Der BVN beteiligt sich an Protesten und organisiert Veranstaltungen zum Thema Antisemitismus.
Am Mahnmal für die NS-Opfer auf dem Steinplatz finden mehrer Demonstrationen statt. Das Foto zeigt eine Kundgebung von West-Berliner Schulen und Studierenden, an der auch der BVN-Vorsitzende Fritz Pinkus teilnimmt.
Verjährung von NS-Verbrechen
Bis in die 1960er Jahre gilt in der Bundesrepublik, dass Mord und Völkermord nach 20 Jahren verjährt sind. Der BVN protestiert gegen diese Rechtsprechung, nach der spätestens 1965 alle bis dahin noch nicht verurteilten NS-Verbrecher ohne Strafe davongekommen wären.
Für sein Anliegen kann der Verband den ehemaligen stellvertretenden Chefankläger der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse Robert M. W. Kempner für einen Vortrag gewinnen.
Die Fotos zeigen die Veranstaltung unter den Titel „Schonzeit für Mörder? Sollen die NS-Verbrechen verjähren?“, die im September 1964 im Studentenhaus am Steinplatz in Berlin-Charlottenburg stattfindet.
Tondokumente
In den 1960er Jahren führt der BVN zahlreiche Veranstaltungen zu politischen Themen durch. Oft werden die Vorträge und Diskussionen auf Tonband aufgenommen.
Die hier präsentierten Aufnahmen sind Ausschnitte aus der Veranstaltung mit Robert M. W. Kempner “Schonzeit für Mörder? Sollen die NS-Verbrechen verjähren?” vom September 1964.
Max Köhler
26. Juli 1897 – 15.Dezember 1975
Max Köhler gehört in den 1930er Jahren zu den führenden Mitgliedern der „Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands“ (SAP). Nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten leitet er in Berlin die illegale Arbeit der SAP. Er wird verhaftet und sitzt mehrere Jahre im Gefängnis; 1937 flieht er nach Dänemark. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kehrt er 1955 nach Berlin zurück und tritt schon bald dem BVN bei.
Max Köhler übernimmt 1963 die Geschäftsführung des Verbandes. Als prominentes Mitglied der SPD verfügt er über viele Kontakte, die er für den Verband zu nutzen sucht. Unter seiner Leitung tritt der BVN stärker in die Öffentlichkeit und führt in den 1960er Jahren mehrere große Veranstaltungen zu tagespolitischen Themen durch. Zudem unternimmt der Verband Fahrten ins Ausland. Die erste Reise führt den Verband 1965 nach Lidice, Prag und Theresienstadt in der Tschechoslowakei.
Der Tod Max Köhlers Ende 1975 ist für den Verband ein schwerer Schlag. Noch Jahre danach finden sich an seinem Todestag BVN-Angehörige an seinem Grab ein, um an „Mäkky“ Köhler zu erinnern.
Auftritte in Schulen
Die Aufklärung von Jugendlichen über die Zeit des Nationalsozialismus ist dem BVN ein besonderes Anliegen. Wie aus dem Schreiben deutlich wird, stellt der Verband dafür Bildungseinrichtungen seine Zeitung „Die Mahnung“ zur Verfügung.
In den 1970er Jahren beginnen Verbandsmitglieder, als Zeitzeuginnen und Zeitzeugen in West-Berliner Schulen aufzutreten. Auch die zeitgeschichtliche Forschung wird auf einzelne BVN-Mitgliedern aufmerksam und berichtet über ihr Schicksal in der der NS-Zeit.
„Jeder, der die Nazis angreift, wird als kommunistisch verschrien; und jeder, der etwas gegen die Kommunisten sagt, als Faschist bezeichnet. Von der National-Zeitung angegriffen zu werden, darf doch nur als ehrenvoll gelten.“
Waltraud Rehfeld, Brief an Leonhard Schwarz, 22. April 1980
Information und Aufklärung
Im Jahr 1979 erscheint in der Bundesrepublik Deutschland das Buch von Jürgen Pomorin und Reinhard Junge „Vorwärts, wir marschieren zurück – Die Neonazis“ über die Aktivitäten der extrem rechten Szene.
Am Ende des Werkes sind die Adressen von NS-Verfolgtenorganisationen aufgeführt, die Rat, Hilfe und Informationsmaterial zum Thema vermitteln – darunter befindet sich auch der BVN. Zahlreiche Jugendliche und junge Erwachsene melden sich in den nächsten Jahren beim Verband und erhalten vom BVN Aufklärungsmaterial.