Kalter Krieg
Mit der Zuspitzung des Kalten Krieges in den Jahren 1947/1948 stellt sich der „Verband der Opfer der Nürnberger Gesetze“ auf die Seite der westlichen Alliierten. Die von der Sowjetischen Besatzungsmacht unterstützte SED lehnt der Verband entschieden ab.
Der BVN-Berlin führt diese Politik fort. Nach der Spaltung der Stadtverwaltung und der doppelten deutschen Staatsgründung im Jahr 1949 wird er zum prägenden Verfolgtenverband West-Berlins. Sein Wirken ist in dieser Zeit stark von den Auseinandersetzungen des Ost-West-Konflikts geprägt, prominente BVN-Mitglieder schlagen mitunter scharfe antikommunistische Töne an.
Verhältnis zur VVN
Der BVN positioniert sich 1950/1951 mehrfach gegen die kommunistisch dominierte „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“. Ein Vorwurf lautet, die VVN übe keine Kritik an Sowjetischen Internierungslagern in Ostdeutschland, in denen auch politische Gegner festgehalten würden.
Die VVN ist im Westteil der Stadt zunehmend isoliert, ihre Mitglieder werden 1951 sogar von Entschädigungsleistungen ausgeschlossen. Der BVN bietet sich als Alternative an. Nicht wenige ehemalige VVN-Angehörige schließen sich dem Verband an.
Im antikommunistischen Klima West-Berlins findet der BVN den Zuspruch des Senats. Gegen die VVN gehen die Behörden dagegen entschlossen vor. Zu Gedenkfeiern wird die Organisation nicht eingeladen und ihre Veranstaltungen werden behindert.
Am Vorabend des Gedenktages für Opfer des „Hitlerregimes“ veranstaltet das Bezirksamt Wedding am 8. September 1951 auf dem Urnenfriedhofs Seestraße eine Gedenkstunde. Redner sind Bezirksbürgermeister Walter Röber und Werner A. Zehden. Als ein Vertreter der VVN das Wort ergreifen will, wird er auf Anweisung von Röber von der Polizei abgeführt. Das Foto in der Mitte zeigt Zehden als Zeugen des Einsatzes.
„Wir stehen heute zwischen Bolschewismus und Neofaschismus, bei beiden wird und wurde mit der Menschenwürde Schindluder getrieben, deshalb müssen wir eine Vereinigung gegen Diktatur jeder Art sein. KZ bleibt KZ, ganz gleich, ob es von einem SS-Mann oder einem Pieck-Soldaten bewacht wird.“
Werner A. Zehden, Vortrag bei der BVN-Bezirksgruppe Spandau,
4. Dezember 1951
Antikommunistische Bündnisse
Im August 1951 finden in der Hauptstadt der DDR die kommunistischen „Weltfestspiele der Jugend“ statt. Die Bundesleitung des BVN bringt zu dem Ereignis eine Sondernummer seiner Wochenzeitung „Das freie Wort“ heraus. Der West-Berliner Landesverband beteiligt sich an der Verteilung an der Sektorengrenze nach Ost-Berlin und unterstützt die Verbreitung in der DDR.
Der BVN steht in dieser Zeit mit Organisationen wie der “Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit” in Verbindung. Bei Veranstaltungen wird der Berliner Freiheitsbund als Saalschutz engagiert, um möglichen Störungen von „kommunistischer oder nazistischer Seite“ entgegenzutreten.
Im Jahr 1952 sucht der BVN den Zusammenschluss mit weiteren antikommunistischen Gruppen zu einem „Bund für Freiheit und Recht“. Nach wenigen Monaten löst sich der Verband jedoch wieder aus dem Bündnis, da er die Interessen der NS-Verfolgten gefährdet sieht.
Herbert Dewald
25. Dezember 1902 – 12. März 1976
Herbert Dewald ist in der Weimarer Republik SPD-Partei- und Gewerkschaftsfunktionär sowie Mitglied im Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold. In der NS-Zeit leitet er in Berlin eine Reichsbanner-Widerstandsgruppe. Er wird mehrfach ins KZ Columbia-Haus verschleppt und sitzt mehrere Jahre im Gefängnis.
Nach 1945 wird Dewald Major der Schutzpolizei. Er ist entschiedener Gegner der Politik der KPD/SED und Mitglied der „Arbeitsgemeinschaft ehemals verfolgter Sozialdemokraten“ (AvS), die 1948 als Alternative zur VVN gegründet wird. Im Jahr 1950 stößt Dewald zum BVN. Er wird Berlin-Redakteur der Zeitung „Das freie Wort“ und 1951 zweiter Vorsitzender des Berliner Landesverbandes.
Der überzeugte Antikommunist Dewald fordert aktiven Widerstand gegen die DDR. Unter seiner Leitung erweitert sich der BVN 1952 zum „Bund für Freiheit und Recht“ (BFR). Nach wenigen Monaten löst sich der Verband jedoch wieder aus dem Zusammenschluss. Dewald verlässt den BVN und führt den BRF als eigenständige Organisation in Berlin weiter.
Dachverbände der NS-Verfolgten
1951 wird in Den Haag die „Fédération internationale libre des déportés et internés de la résistance“ (FILDIR) gegründet. Auch der westdeutsche „Zentralverband Demokratischer Widerstandskämpfer und Verfolgtenorganisationen“ (ZDWV) schließt sich kurz nach seiner Gründung im Februar 1954 dieser internationalen Organisation an.
Als Vertretung der NS-Verfolgten in der Bundesrepublik wird der ZDWV von der Bundesregierung finanziell unterstützt. Der Berliner BVN tritt dem Dachverband 1957 bei. Das hier abgebildete Begrüßungstelegramm der FILDIR beschwört das „gemeinsame Wirken gegen jede Tyrannei“ im Verbund mit anderen nichtkommunistischen Organisationen in Europa.
Berliner Mauer
Der BVN nimmt in den 1950er Jahren zahlreiche „Doppelverfolgte“ auf. Diese hatten im NS-Staat und in der DDR staatliche Repression und Willkür erfahren und waren nach West-Berlin geflohen. Er berät NS-Verfolgte, die in der DDR leben und unterstützt BVN-Mitglieder aus dem Ostteil der Stadt. Die Errichtung der Berliner Mauer im August 1961 beendet dieses Engagement.
Unmittelbar nach dem Mauerbau besucht im Herbst 1961 eine Delegation der westeuropäischen Verfolgtenorganisation „Union Internationale de la Resistance et de la Déportation“ (UIRD) das geteilte Berlin und besichtigt zusammen mit BVN-Angehörigen die Sektorengrenze an der Bernauer Straße. In einer gemeinsamen Erklärung verurteilen sie die Politik der DDR und die Schließung der Grenzen zwischen beiden Teilen der Stadt.
Besuch in Ost-Berlin
Der BVN zählt Anfang der 1970er Jahre zu den Befürwortern der neuen Ostpolitik von Willy Brandt und begrüßt die Ostverträge, die eine Annäherung zwischen Bundesrepublik und DDR anstreben. Zum 30. Jahrestag des 20. Juli 1944 führen ZDWV und FILDIR eine Tagung in West-Berlin durch. Das Programm beinhaltet einen Besuch von Gedenkstätten in Ost-Berlin. Max Köhler und Gustave Spree legen im Namen des BVN auf dem Friedhof der Sozialisten in Berlin-Friedrichsfelde eigens einen Gedenkkranz nieder.
In den 1980er Jahren besuchen weitere Delegationen Gedenkstätten in Ost-Berlin. Eine kritische Haltung gegenüber der Politik der DDR behält der BVN jedoch bis zum Ende des Kalten Krieges bei. Auch eine Zusammenarbeit mit der VVN lehnt der BVN während seiner gesamten Existenz ab.