Verbandsleben
Für viele Mitglieder ist der BVN in Berlin weitaus mehr als eine Anlaufstation für Fragen zur „Wiedergutmachung“. Ebenso erfüllt der Verband eine wichtige soziale Funktion. Bei Versammlungen, auf gemeinsamen Reisen und geselligen Treffen können sich die Mitglieder austauschen und gegenseitig unterstützen. Im BVN sind sie keine Minderheit und sie können sicher sein, dass NS-Verbrechen nicht verharmlost oder geleugnet werden.
Der Verband bietet seinen Angehörigen einen geschützten Raum, der gemeinsame Erfahrungshorizont ermöglicht die geteilte Verarbeitung des Erlebten. Antisemitische Äußerungen und beschönigende Erklärungen zum Nationalsozialismus werden nicht geduldet – in weiten Teilen der deutschen Nachkriegsgesellschaft ist dies nicht selbstverständlich.
Tanzveranstaltung
Bereits in den ersten Jahren organisiert der BVN für seine Mitglieder gesellige Zusammenkünfte. Die Bilderserie zeigt die Veranstaltung „Herbstvergnügen“ vom Oktober 1954 in den Tiergarten Festsälen. Unter anderem tritt dort der Kinderchor der Neuköllner Finken auf.
Das Foto zeigt Erna-Maria Kandner (1.v.l.) und Werner Alfred Zehden (2.v.r.) vom BVN-Vorstand. Als besonderer Gast des Abends wird Siegmund Weltlinger (4.v.r.) begrüßt.
Der Referent für Jüdische Angelegenheiten des Berliner Senates ist frühes Mitglied des Verbandes und wird 1961 sogar zum Ehrenmitglied ernannt.
„Der Nachmittag konnte mit dazu beitragen, die dunkle Vergangenheit zu überwinden, die noch auf vielen von uns lastet. Gleichzeitig sollte dieses Zusammensein wieder Kraft geben, die Schwierigkeiten zu überwinden, wie sie sich unserer Organisation immer wieder entgegenstellen.“
Heinz Elsberg in einem Bericht über eine BVN-Werbeveranstaltung,
Die Mahnung, 15. Mai 1964
Unterhaltung
Ab 1963 führt der BVN sogenannte „Werbeveranstaltungen“ durch. Eingeladen sind Unterstützende des Verbandes aus Politik und Gesellschaft. Das vielfältige Programm wird von prominenten West-Berliner Künstlerinnen und Künstlern unterstützt.
Zu den Darbietenden gehören unter anderem „Die Stachelschweine“ und „Die Wühlmäuse“ sowie der Kabarettist Wolfgang Neuss oder die bekannte Schauspielerin Brigitte Mira.
Ab 1967 findet die Veranstaltung jährlich im Dezember unter dem Namen "Einmal im Jahr..." statt. Der Termin wird eine Institution im BVN und ist bei den Mitgliedern sehr beliebt. Bis 1988 dient als Austragungsort der große Saal des Jüdischen Gemeindehauses in der Fasanenstraße in Charlottenburg.
Persönlichkeiten
Erstmals im Dezember 1971 ist Estrongo Nachama, der Kantor der Jüdischen Gemeinde, Gast beim BVN. Der bekannte Bariton trägt bis 1987 mit hebräischen Liedern aus der Liturgie und israelischer Folklore zu zahlreichen Veranstaltungen der Reihe „Einmal im Jahr …“ bei. Eines der beliebtesten Lieder beim BVN ist das Stück „Wenn ich einmal reich wär‘“ aus dem Musical ,,Anatevka", das jedes Mal großen Beifall erntet.
Das Foto zeigt Estrongo Nachamas Auftritt im Großen Saal der Jüdischen Gemeinde im Dezember 1976. Am Flügel begleitet ihn der Komponist Harry Foss, der ebenfalls an vielen BVN-Veranstaltungen beteiligt ist.
Fahrten
Neben Reisen ins Ausland führt der BVN Fahrten innerhalb der Bundesrepublik durch. Im April 1979 unternimmt der Vorstand eine Studienfahrt nach Ludwigsburg, um dort die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen zu besichtigen.
Ein Programmpunkt auf dem Weg ist ein Besuch des jüdischen Friedhofs von Buttenhausen bei Münzingen. In dem Ort lebte seit Ende des 18. Jahrhunderts bis in die NS-Zeit eine überwiegend jüdische Bevölkerung. Die Fotos zeigen den Besuch des Friedhofs durch die BVN-Gruppe.
Gustave Spree
9. März 1906 – 3. März 1988
Gustav Spreewitz stammt aus einer Arbeiterfamilie und wächst in Berlin-Spandau auf. Er arbeitet als Schwimmmeister und ist Mitglied der „Sozialistischen Arbeiter-Partei“. Zudem steht er in enger Verbindung zu Ernst Friedrich, dem Betreiber des Anti-Kriegs-Museums.
Nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten 1933 hilft er Ernst Friedrich, wertvolle Ausstellungsstücke zu verstecken und schmuggelt ihn und seine Familie ins Ausland. Gustav Spreewitz selbst flüchtet 1934 ins Exil in die Schweiz, 1939 geht er nach Großbritannien, wo er Heidi Friedrich heiratet, die Tochter des Museumsgründers. Im Exil nennt er sich fortan Gustave Spree.
Anfang der 1950er Jahre kehrt Gustave Spree nach Berlin zurück und lebt wieder in Spandau in unmittelbarer Nähe zur Havel. 1969 wird Mitglied im BVN. Zusammen mit seiner Frau organisiert er von 1971 bis 1984 für den Verband die alljährlichen Dampferfahrten Fahrten auf den Gewässern in und um Berlin.
Dampferfahrten
Trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs in der Bundesrepublik sind viele Überlebende der NS-Verfolgung sozial bedürftig. Der BVN organsiert für seine Mitglieder daher Angebote, die ohne großen finanziellen Aufwand in West-Berlin wahrgenommen werden können.
Schon in den 1950er Jahren führt der Verband regelmäßig Dampferfahrten in und um Berlin durch. Aufgrund der sinkenden Mitgliederzahlen finden diese Ausflüge in den 1980er Jahren vermehrt mit befreundeten Organisationen statt.